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Ingo Krumbiegel (1965): Wie füttere ich gefangene Tiere

DLG Verlag Frankfurt/M.

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Inhalt:


Die verwendete Einteilung entspricht nicht der aktuellen Systematik. Was sich jeweils geändert hat, steht immer in einer COURIER-Schrift unter den jeweiligen Kapiteln.






Die hier verwendete Einteilung entspricht nicht mehr der aktuellen Systematik. Was sich jeweils geändert hat, steht immer in einer COURIER-Schrift unter den jeweiligen Kapiteln. Außerdem sind die Singvögel nach "einheimischen" und "ausländischen" Arten getrennt behandelt, was dazu führt, daß die Familien und auch Gattungen im Text zweimal vorkommen können. Im Zweifelsfall unter beiden Kapiteln nachschauen!


 ALLGEMEINES


Bei jeder Tierhaltung steht die Frage "Was füttere ich?" und "Wie füttere ich?" obenan. Auch bei der Eingewöhnung empfindlicher Exoten ist weniger das Klima als die Umstellung der Ernährung wichtig. Neben der physiologischen Fütterung hat aber, wie noch mehrfach betont werden wird, auch eine psychologische Komponente zu stehen (1)*.

* Anmerkung: Die Zahlen entsprechen den Nummern des Literaturverzeichnisses.


Die Wichtigkeit der Futterfrage wird durch umfassende Statistiken des Zoologischen Gartens in London, nach denen ganz allgemein Krankheiten der Verdauungsorgane im Vordergrund stehen (696), untermauert. Erst mit Abstand folgen Erkrankungen der Atmungsorgane und weit danach schließlich tuberkulöse Leiden. Statistiken der Veterinärbehörden von Budapest ergaben für Haustiere 100 Krankheitsfälle der Atmungsorgane gegenüber 228 der Verdauungsorgane. Zu ähnlichen eindrucksvollen Ergebnissen kamen die Analysen von DOBBERSTEIN (1108).

Mehr und mehr sucht man auch die Methodik der Fütterung gefangener Tiere zu verbessern und zu rationalisieren. Dazu haben v. ANGHI (697) und HONIGMANN (686) wichtige Unterlagen geschaffen. Das zeitlich zurückliegende, umfassende Material von SIGEL (684) und SCHMIDT, Frankfurt (699) wurde damit neu beleuchtet. Erhebliche Erkenntnisse hat die zunehmende Erforschung der Haustierfütterung gebracht, obwohl letztere an und für sich in erster Linie wirtschaftliche Ziele verfolgt. Auch Kleintierhaltung im Heim (918) und die rationalisierte Haltung und Züchtung von Beobachtungstieren - der mit Recht nicht grade in Ansehen stehende Ausdruck "Versuchstiere" sei hier grundsätzlich abgelehnt - (906, 1044, 1107) hat einige neue Richtlinien ergeben. HEDIGER (1) weist daraufhin, daß Tiere auch "psychologisch gefüttert werden müssen, mithin lebende und gefühlvolle Wesen sind". Dieser Hinweis möge über dem gesamten Buch stehen, wenn auch naturgemäß im einzelnen das physiologische Futter im Vordergrund stehen muß.

Als alte Faustregel gilt, daß ein Gramm Eiweiß zwei Kalorien, ein Gramm Kohlehydrate vier, ein Gramm Fett neun Kalorien Verbrennungswärme liefert, und daß Eiweiße weitgehend unentbehrlich sind, Kohlehydrate und Fett sich hingegen weitgehend ersetzen können.

Selbst nahestehende Tierarten können, was die Futterausnutzung anbelangt, ein verschiedenes Verhalten zeigen. Auch die zur physiologischen Sättigung erforderliche Ballastmenge ist oft weitgehend unabhängig vom tatsächlichen Kalorienbedarf. Davon abgesehen ist ein größeres Tier im allgemeinen mit einer geringeren Kalorienmenge befriedigt als ein kleineres (700). Je Kilogramm Körpergewicht benötigen unter den Säugetieren beispielsweise an Kalorien:

Biberratte (Myopotamus)

100

Axishirsch (Axis)

30

Nashorn (Rhinoreros)

22

Giraffe (Giraffe)

20

Kamel (Camelus)

19

Indischer Elefant (Elephas)

13

Flußpferd (Hippopotamus)

10

Über die Ausnützung der Nahrung bei Wirbeltieren siehe 769. Kalk, Kochsalz, Jod und eine ganze Reihe Spurenelemente (692) sind auf die Dauer ebenso wie gewisse Vitamine lebenswichtig. Ihre Problematik führt über den Rahmen dieses Buches hinaus. Es seien aber wenigstens einige der wichtigsten Vitamine genannt.

Vitamin

Mangelfolge

Vorkommen

Heil- u. Vorbeugungsmittel

A

Augenleiden (Xerophthalmie), Wachstumsstörungen

Lebertran, Leber, Fettgewebe, Butter,
Milch, Tomaten

Vogan

B1

Neurosen (Beriberi), Sternguckerkrankheit

Getreideschalen,
Hefe, Fleisch,
Pflanzenstoffe

Betaxin

B2

Hautveränderungen, Haarausfall, Wachstumsstörungen

Getreideschalen
Hefe, Eigelb
Milch (377).

Lactoflavin

C

Skorbute

GrünePflanzen, Birkenlaub, Bren- nessel, Klee, Hage- butten, Zitronen,
Sanddorn, schwarze
Johannisbeeren

Ascorbin, Redoxon, Cebion

D

Rachitis

Lebertran, Fleisch

Vigantol

H

Hautentzündungen

Grüne Pflanzen

Murnil,
Biotin

T

Wachstumshemmung

 

T-Vitamin Goetsch

Immer mehr haben Freibeobachtungen, Mageninhaltsanalysen und andere Methoden gezeigt, daß die meisten Tiere in der Freiheit weit mehr Allesfresser sind, als man früher annahm. Säugetiere (174,1056) und Vögel (3) können verblüffend vielseitig sein. Die Methoden der "balanced diet" im Unterschied zur "nutrition" (912) sind wegen ihrer besonderen Bedeutung im einzelnen bei den Säugetieren behandelt. Sie vermeiden Mangelerscheinungen.

Ein Omnivorengemisch kann aus Magermilch mit Mahlgetreide und Hefe (820), ein Futtergemisch von vielseitiger Anwendungsmöglichkeit aus gekochtem Reis, Salat, Kükenaufzuchtmehl, Ameisenpuppen, Musca, Weißwurm bestehen. Geringe Eiweißfütterung, wie sie in Notzeiten vorkommt, führt zu Überschuß an Männchen (783), um nur einige der anhängigen Probleme zu erwähnen. Auch Pflanzenfresser können ein Futter bekommen, das neben Getreide, Rauhfutter, Hülsenfrüchten auch Mineralstoffe und tierische Erzeugnisse enthält (775). Bei Fleischfressern wiederum ist man ganz davon abgekommen, einfach Muskelfleisch zu geben: Schlachthausabfälle in ihrer ganzen Vielseitigkeit sind grundsätzlich wichtig (939). Auch das Trinkwasser ist für die Ernährung von erheblicher Bedeutung, wie erst in neuerer Zeit genauer erkannt worden ist. (811).

Musca = Stubenfliege

Besonders die Arbeiten an den Zoologischen Gärten Antwerpen, Basel und Philadelphia haben das zu Gruppen aufgeteilte Einheitsfutter geschaffen (1211). Trotz der Kürze der Zeit, die zu einer umfassenden Beurteilung erforderlich wäre, kann man schon jetzt sagen, daß diese Methodik zum Teil geradezu verblüffende Erfolge gezeigt hat. Gegen eine hundertprozentige Umstellung aller Tierfütterung auf Einheitsfutter ist einzuwenden, daß es noch niemals in biologischen Dingen eine Panacee, einen Stein der Weisen gegeben hat und auch nie geben kann. Man bedenke- um ein Beispiel aus anderen Gebieten zu geben - mit welch überschwänglicher Begeisterung die Einführung jedes neuen, wirksamen Heilmittels begrüßt wird, bis man auch seine Grenzen erkennt. Weiter hat besonders HEDIGER (1) dargelegt, daß bei der Einheitsfütterung neben der physiologischen Komponente auch eine wichtige psychologische Seite des Problems zu beachten ist. Eine lustbetonte Einnahme des Futters in puncto physikalische Beschaffenheit, Farbe, Duft, Kauarbeit und so weiter dürfte auf die Dauer mindestens bei höheren Tieren wichtig sein. Ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Mensch und Tier besteht vor dem Forum Der modernen Wissenschaft längst nicht mehr und ist auch für diese Dinge nicht anzunehmen. Das Problem, auch den Menschen bei Katastrophen, Kriegsereignissen, Weltraumfahrten vorübergehend mit bestimmten Pillen zu erhalten, wird noch manche Perspektiven ergeben. Ein Tierpfleger wird nicht immer geneigt sein, Einheitspreßlinge anstatt altgewohnter, vielseitiger Dinge zu verfüttern. Im Betrieb eines Zoologischen Gartens wird auch das Publikum eine belehrende, "verständliche" Fütterung sehen wollen. Auch hier wird man vermutlich einen Mittelweg zwischen Zweckmäßigkeit und Publikumskonzession gehen müssen. Sicher aber ist, daß die Einheitsfütterung einen gewaltigen Fortschritt bedeutet und mindestens bei Katastrophen, Stockungen der Zufuhr, Notzeiten, Personalschwierigkeiten oder dergleichen eine ideale Lösung ermöglicht. Auch der Liebhaber, der seine Pfleglinge gern in naturgemäßem Rahmen halten und beobachten möchte, wird bei Zeitmangel aller Sorgen enthoben.

Es liegt auf der Hand, daß die Preßlinge, Esbilac (911) und so weiter nur allgemein im Text angeführt, aber nicht bei jeder Art von Säugetieren und so weiter neu angeführt werden können. Einige weitere Neuerungen sind hinzugekommen. Man erkannte, daß bei Verabreichung von Milch an Jungtiere weniger die systematische Verwandtschaft der Milchamme wichtig ist als die klimatische Herkunft: Tropentiere haben kohlehydratreichere und fettärmere Milch als Arten kalter Zonen. Meine Propagierung der Verabreichung blutwarmen Fleisches und ebenso erwärmten Blutes an Raubtiere hat Anerkennung gefunden. Sogar für Krokodile betont man jetzt die Vorteile entsprechend temperierten Futters. Tauchervögel fressen auch tote Fische, wenn diese nur auf dem Wasser treiben: Wir füllen daher Fische auch künstlich mittels Injektionsspritze mit etwas Luft.

Schlangen gedeihen jetzt bestens auch bei Reizfütterung: Angewärmtes Fleisch mit Mausgeruch wird ebenso akzeptiert wie Fleisch mit Froschgeruch beziehungsweise -geschmack: Es kann also oft genügen, einen "Appetitsfrosch" einige Zeit auf das Fleisch zu setzen. Die Freßlust wird oft auch durch einen nur sichtbar gemachten, vorbeihüpfenden Reizfrosch ausgelöst. Kröten nehmen Fleischstreifen von einer sich drehenden Reizscheibe, die Bewegungen der Nahrung vortäuscht und den Instinkt zum Zuschnappen auslöst. Hiermit können die oft nicht leicht beschaffbaren Beutetiere erheblich eingespart werden. Gleichzeitig entfällt weitgehend das makabre Schauspiel der Schlangenfütterung, das zwar biologisch normal ist, aber besonders auch die Jugend unnötig verroht, während wir schließlich das Gegenteil, Förderung der Tierliebe und des Tierschatzes bezwecken. Viele niedere Futtertiere sind in Technik und Rationalität erheblich verbessert worden: Für bestimmte Zwecke kann der Mehlwurm wesentlich herangemästet werden, die Taufliege wird nicht mehr frisch geschlüpft, sondern aufgefüttert geboten. Mixgeräte, Entsafter und Kühltruhen sind mit Erfolg in die moderne Futterküche eingeführt worden. So ist die Tierfütterung zu einer ganzen Wissenschaft geworden, die nie stillstehen und stets das Bindeglied zwischen Wissenschaft und Praxis bleiben wird.


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