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Vertiefte Fieldmammalogie der neueren Zeit hat nachdrücklich gezeigt, daß Wildsäugetiere weit vielseitiger in der Ernährung sind, als man früher vermuten konnte (174). Ganze Gruppen sind beinahe Allesfresser: Braunbären, Kleinbären (1118), Stinktiere (1119), nordamerikanische Füchse (1120), die Spitzmaus Blarina (1121), sogar der spezialisierte Sandziesel Ammospermophilus (1122) und der Puma (180).
Je weniger Bewegung und Ausarbeitung eine Tierart schon durch ihre natürliche Lebensweise hat, umso besser ist sie für die Gefangenschaft hinsichtlich ihrer Ernährung geeignet. Sie braucht dann nur die gleiche, relativ knappe Nahrung wie in der Freiheit. Ein stark arbeitendes Tier hingegen wird in der Gefangenschaft erheblich geringere Kalorienmengen benötigen als in der Freiheit, weil die starke Verbrennung fehlt. Man muß sich zum Grundsatz machen, lieber etwas zu knapp als zu stark und zu reichlich füttern. Auch die Art der Unterbringung in der Gefangenschaft ist in Rechnung zu setzen.
Bei einem Warmblütler wie dem Säugetier bestehen in erhöhtem Maße Unterschiede in den Fütterungsansprüchen je nachdem, ob es reichliche Bewegungsmöglichkeit hat, in größerem Verband gehalten sich gegenseitig mit Artgenossen wärmt und so weiter. Grundsätzlich ist weiter die absolute Körpergröße maßgebend. Entsprechend der relativ großen Oberfläche braucht ein kleinerer Organismus mehr Kalorien als ein größerer. So benötigt beispielsweise ein Bandwiesel in 24 Stunden 40% seines Eigengewichtes an Nahrung, ein Marder 10% (184), ein Löwe 6% (174).
Für eine liebevolle Betreuung der Tiere ist es erforderlich, nicht bloß einige Futtermittel zu kennen, sondern man muß etwas in die Naturgeschichte seiner Pfleglinge eindringen. Zahlreiche, auch gemeinverständliche und leicht erlangbare Schriften und Bücher weisen hier den Weg. Dann wird man in bezug auf Abwechslung, Fastenperioden, Perioden verstärkten Nahrungsbedarfs und über die erforderlichen Futtermengen hinweg zu einer verbesserten Tierhaltung kommen.
Grade bei den Säugetieren ist die Einheitsernährung nach gewissen Standardstufen von erhöhter Wichtigkeit. Für alle anderen Tiergruppen wird sie aller Voraussicht nach niemals eine auch nur annähernde Bedeutung bekommen. Hinzu kommt, daß die Säugetiere die wichtigsten Haustiere geliefert haben, so daß die spezialisierten Fragen der rationellen Haustierhaltung besonders große Erfahrungen auch für die übrigen Säugetiere vermitteln. Wir besprechen daher die Fütterung mit Standardfutter bei den Säugetieren. Bei den anderen Tiergruppen, wo es erforderlich ist, verweisen wir auf diese allgemeine Darstellung.
Die Grundlage der "complete nutrition" ist eine ausgewogene Zusammenstellung von Grundsubstanzen, zu denen die überall benötigten Mineralstoffe und Aminosäuren hinzukommen. Als wesentlichste Grundsubstanzen sind anzuführen (912):
Flocken, Graupen, Soja, Erdnußöl
Luzernemehl, Knochenmehl, Kochsalz
Magnesiumsulfat, Phosphor, Calcium, Vitamine
Spurenelemente: Eisen, Mangan, Kupfer, Jod, Kobalt Zink.
Folsäure, Nikotinsäure, Pantothensäure, B,2.
Nach diesem Grundschema lassen sich einige Grundtypen aufstellen:
Allesfresser: Gemahlener Weizen, Mais, Graupen, Röstflocken, Fett, Knochenmehl, Salz, Vitamine, Kalk; dazu Mehl, Flocken, Kartoffelflocken, Milch.
Fleischfresser: 93% Rohfleisch gemischt
Fischfresser: In Frischfisch Vitaminkapseln
Käfigvögel. Zum Vogelfutter als Ergänzung evtl. Mais, Weizen, Graupen, Flocken, Pflanzenöle, Knochenmehl, Salz.
Geflügel: Proteingaben dazu (912).
Rehe und Virginiahirsche als Vertreter jener Paarhufer, die im Freien statt einfacher Grasäsung "botanisieren" (117) und daher in der Gefangenschaft erhöhte Schwierigkeiten machen, können neuerdings mit folgenden Bestandteilen einfacher gehalten werden ("Huftierwürfel") (844):
Getreide Leinkuchenmehl Kalk Eisen |
Sojaschrot |
Knochenmehl |
Im Sommer Luzerne, im Winter Luzerneheu, Gelbrüben. Die robusteren Arten bekommen mehr Gras beziehungsweise Heu und weniger von diesem Kraftfutter und umgekehrt. Wisente reichlich Würfel und weniger Heu, Bisons nur eine Handvoll Würfel. Als "Rindviehwürfel" sind auch Schrote, Mehle, Maizena zu Heu und Karotten aufgestellt worden (846).
Kraftfutter-Preßlinge von Getreidearten, Johannisbrot mit Luzernemehl, Karotten und Gras für Wasserschweine (Hydrochoerus) und Känguruhs (Macropodidae) (845).
"Affenkuchen" von Mahlgetreide, Ölkuchen, Luzernemehl, dazu Hefe, Vollmilchpulver, gekochtes Fleisch, Mineralien und Vitamine.
Trocken- Preßlinge von Zwiebackmehl, Getreideflocken, Kartoffelflocken, Johannisbrot, Magermilchpulver, Zuckerrübenschnitzel, Fischmehl, Fleischmehl. Hefe, Weizenkeime, Mineralstoffe und Vitamine für Bären und Schweine. Dieses mit Affenkuchen für Stachelschweine (Hystrix) und Biberratten (Myocastor).
Eine Mischung von Preßkuchen mit Hackfleischzusatz und Milch für Insectivoren. Fischzusatz-Kraftfutter mit etwas Luzernemehl und Weizenkeimen für Seelöwen und Pinguine (845) .
Huftierkraftfutter, mit Weizenkleie oder Getreidekörnern gestreckt für Tapire (Tapiridae) und Zwergflußpferd (Choeropsis). Ähnlich für Känguruhs (Macropodidae) und Chinchilla (Chinchilla) (844).
Ballastgaben, zum Beispiel 7% bei Schweinen, fördern die Peristaltik und unterstützten das Sättigungsgefühl (846),das überhaupt für das Wohlbefinden unabhängig von allen Zusatzstoffen, Spurenelementen und vom Kalorienbedarf unerläßlich ist. Erhöhte Salat- und Blättergaben bei Stummelaffen und anderen Laubfressern. Der Basler Zoo entwickelte auch müsliartige Kombinationen, die vom "Hundebiskuit" als Grundlage ausgehen (846), sowie "Hennenwürfel" mit zusätzlicher Gabe von Grünsalaten.
Hier möchte ich die "Mäusestifte" erwähnen, die ich 1925 als junger Ausbildungsvolontär im Berliner Zoologischen Garten für das Nagetierhaus konstruierte: Gemahlenes Waldvogelfutter mit Kürbiskernen, Salz, Fleisch-, Milchpulver, Kalk, etwas Schwefelblüte, Eisenpulver, einige Tropfen Jodtinktur und Kaliumpermanganat, das Ganze mit Talg zu zigarettenförmigen Stäbchen gießen. Sie wurden in den einem jungen Volontär gezogenen Grenzen probiert und als zumindest an Tagen mit Personalschwierigkeiten und dergleichen förderliche Lösung angesehen. Die Fütterung der Kleinnager ist ja eine hinter der Arbeit für kleine Weichfresser im Vogelhaus nicht zurückstehende Belastung, wenn sie auch in der Allgemeinheit weniger populär ist.
Eine etwas anders aufgebaute Gruppierung unterhält der Zoologische Garten Philadelphia:
Allesfresser: Mais, Weizen, Haferflocken, Erdnußmehl, Sojamehl, Hefe, Milchpulver, jodiertes Salz. Hierhin auch Affen und Schweine.
Pflanzenfresser: Braugerste, Mais, Weizen, Leinsamen, Hefe.
Fleischfresser (außer Katzen) auch viele Vögel und Reptilien. Weitere Abteilungen sind die Katzen mit Rohfleisch, Leber und so weiter (839, 840). Diese Futtergruppen wurden im Zoo Basel auf Europa übertragen (773).
Esbilac (911) enthält Protein, Fett, Fleischmehl Mineralasche, Vitamine, besonders auch Riboflavin, dazu Sojamehl, Baumwollöl, Trockenmilch, Casein, Pantothen, Kalium, kohlensauren Kalk, Kobalt, Magnesium, Mangansulfat und Phosphor. Man wird wohl in Zukunft immer mehr dazu übergehen, das eine zu tun, ohne das andere zu lassen. In der Tat gedeihen bereits viele Säugetiere bestens bei Gaben zum Beispiel von Obst, Grünzeug und so weiter mit zusätzlicher Darbietung entsprechender, zu kleinen Klößen oder Kugeln verarbeiteter Mangelstoffe. Man hat mit dieser zwiefachen Gabe den Vorteil, daß sowohl die geschmacklichen und sonstigen äußerlichen Qualitäten mit einer Komplettheit der unsichtbaren chemischen Ansprüche kombiniert sind.
Schrifttum:
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