© alle Fotos / Texte: Wildvogel Pflegestation
Marburg e.V.
seit 1989

Es kommt immer wieder vor, daß Jungvögel aus den unterschiedlichsten Gründen sterben. Oft liegt die Ursache hierfür an Wurmbefall, inneren und äußeren Verletzungen oder Unverträglichkeit des Futters; auch sind manche Vögel schon fast verhungert, bevor sie in unsere Hände gelangen. Wahrscheinlich gibt es noch hundert andere Gründe, weshalb ein Jungvogel trotz guter Pflege stirbt. Jedoch gibt es auch ein paar grundsätzliche Dinge, die man bei der Aufzucht eines Jungvogels beachten muß; dies sind oftmals Kleinigkeiten, welche bei Nichtbeachtung zum baldigen Tod des Vogels führen können. Dieser Leitfaden soll eine kleine Hilfe für den mehr oder weniger glücklichen Finder sein, um die Aufzucht des Jungvogels etwas zu erleichtern.

Es sollte allerdings betont werden, daß dies keine Garantie dafür ist, daß der Jungvogel überlebt.

Das Futter Wärme Die Fütterungsabstände
Unterbringung des Jungvogels Die Futtertechnik Der Ernährungszustand

 

"Pampe"
Am besten bewährt hat sich in der ersten Wachstumsphase des Vogels eine Mischung aus: Magerquark (Magerjoghurt), Eiaufzuchtfutter (als erste Hilfe geht auch hartgekochtes Eigelb) und einem Kalziumpräparat (z.B. Osspulvit), evtl. auch ein paar Tropfen eines Multivitaminpräparates.

Jedoch sollte man darauf achten, daß der Vogel immer nur eines von beidem bekommt, also entweder Osspulvit oder Vitamine, da beides gleichzeitig zu einer Übervitaminisierung führen kann, was dann wieder üble Folgen für das Tier hat. Meistens ist das Aufzuchtfutter auch schon genügend mit Vitaminen versehen. Das Kalzium ist wichtig für den Knochenaufbau, wenn es bei der Aufzucht fehlt, kann das zu Rachitis führen, welche sich oft in Verformungen des Schnabels oder der Füße zeigt.

Ist der Vogel dann etwas älter, kann man langsam damit beginnen, das Aufzuchtfutter mit Insektenfutter zu mischen. Außerdem kann man für die verschiedenen Vogelarten die jeweiligen Futterzusätze verwenden (Näheres dazu in der bewährten Broschüre: Das Füttern von Jungvögeln ). Also, noch einmal zum mitschreiben:

  • Magerquark / Magerjoghurt im Mischungsverhältnis 1:2 mit Eiaufzuchtfutter mischen, dazu ein
  • Kalzium- oder Vitaminpräparat jeweils eine Messerspitze, bzw. ein paar Tropfen genügen!
  • Insektenfutter je nach Alter des Vogels Dosis erhöhen
  • Wasser während jeder Fütterung zusätzlich ein paar Tropfen in den Schnabel


Diese Mischung eignet sich gut für alle Körnerfresser, außerdem für Stare, Amseln, Elstern, Eichelhäher, Rabenkrähen, etc., aber auch als Erste - Hilfe für reine Insektenfresser. Die Körnerfresser sind nach und nach an (eingeweichtes) Körnerfutter zu gewöhnen, und die anderen Arten an grobes Insektenfutter (für Drosseln und Stare mit Erde) oder andere Mixturen.

Wenn man die "Pampe" das erste Mal anzumischen versucht, wird man sehr schnell feststellen, daß entweder der Löffel drin stecken bleibt oder das Ganze nach wenigen Sekunden versteinert ist. Tip: immer wieder etwas Wasser hinzugeben und solange rühren, bis aus dem Quark - Futter - Klumpen ein weicher Brei geworden ist, den man mühelos durch die Futterspritze bekommt, und diese dabei nicht explosionsartig durch die Gegend schießt. Keine Panik: irgendwann schafft man das Kunststück, ohne das die Quarkreste die Tapete, die eigenen Klamotten und Haare oder den Vogel zugekleistert haben. Alles Übungssache.

Heimchen&Tatar

Den empfindlicheren Insektenfressern wie z.B. Mauersegler, Schwalben, Haus- und Gartenrotschwänzchen, kann man die Quarkmischung nur als kurzfristige Übergangslösung bieten. Auch Arten wie Meisen, Buchfinken, Schnäpper, u.s.w. vertragen die folgende Futtermischung immer. Nach langem Ausprobieren sind wir bei folgender Mischung gelandet (Tiefkühlfach nötig!):

Heimchen - gibt's in der Tierhandlung

Tatar - gibt's beim Schlachter

Am Besten hat sich die ausschliessliche Fütterung von Heimchen bewährt. Da diese sehr teuer und nicht immer erhältlich sind, kann man das Tatar in Maßen zufüttern - auf gar keinen Fall auf Dauer ausschliesslich Tatar füttern, dies führt zu schwersten gesundheilichen Schäden für den Vogel!!

Wenn man viel Zeit hat, kann man auch Unmengen von Fliegen fangen. Zur Not gehen auch Fliegenmaden und Mehlwürmer (Anglergeschäft), auf Dauer gefüttert hinterlassen sie jedoch bleibende Schäden wie Gelenklähmungen, Gefiederschäden, etc. Fliegenmaden sollte man außerdem vor der Verfütterung selbst füttern, sonst bringen sie außer etwas Chitin keinen wesentlichen Nährwert auf die Waage.

Heimchen bekommt man meist lebendig, damit man sie verfüttern kann, ohne daß die Hälfte anschließend in der Wohnung herumhüpft, empfiehlt es sich, diese einfach einzufrieren und nach Bedarf wieder aufzutauen.

 

Mäuse

Greifvögel, Eulen, aber auch Rabenvögel, Reiher und Störche füttern wir immer mit toten Mäusen. Nun hat nicht jeder tote Mäuse zur Verfügung, aber auch hierfür gibt es alternativen:

Eintagsküken, Rinderherz, Tartar, Kaninchen, u.s.w. (Bei Eintagsküken sollte unbedingt auch Osspulvit zugegeben werden.)

Das Fleisch sollte außerdem immer mit Fell, Federn, o.ä. verfüttert werden (wichtig für die Gewöllbildung).

Generell kann man davon ausgehen, daß alle kleinen Vögel eine Wärmequelle nötig haben. Im Nest liegen sie meist zu mehreren eng aneinander gekuschelt und wärmen sich gegenseitig. Da man nicht den ganzen Tag mit einem oder mehreren Jungvögeln in den Händen herumlaufen kann, und es auch nicht besonders ratsam ist, sie nachts mit ins Bett zu nehmen, gibt es hierfür glücklicherweise ein paar Wunderwerke der Technik:

Die Glühlampe

Empfehlenswert ist eine 40 Watt Lampe. Hierbei ist zu beachten, daß die Lampe nicht zu weit weg steht- dann nützt sie nämlich gar nichts - und auch nicht zu nah dran, denn dann gibt's gekochten Jungvogel! Der normale Jungvogel bevorzugt eine Temperatur von 35°- 37° C. (Thermometer!)

Das Rotlicht

Im Allgemeinen sogar noch besser als die Glühlampe, da es Stoffwechsel- und Durchblutungsfördernd ist. Sicherheitsmaßnahmen in puncto Wärme wie bei der normalen Lampe: Achtung: Vögel mit Krämpfen und Lähmungserscheinungen dürfen nicht unters Rotlicht!

Die Wärmflasche

Für die Nacht gut geeignet, da die meisten Lampen bei Dauerbeanspruchung irgendwann den Geist aufgeben. Vorteil: der Vogel sitzt nicht ständig im Scheinwerferlicht herum. Nachteil: die Wärmflasche ist nach ein paar Stunden kalt.

Die Wollsocke

Hat sich bisher auch gut bewährt. Bei kleinen Vögeln wickelt man die Socke rundherum, ab Amselgröße kann man sie prima hineinstecken und nur noch den Kopf herausgucken lassen. Die handgestrickte Wollsocke ist der schnöden Kaufsocke vorzuziehen.

Die Heizung

Ist nachts ganz praktisch, vorausgesetzt, man hat keine Nachtabsenkung eingebaut. Vorteil: der Vogel wird die ganze Nacht kontinuierlich warm gehalten. Nachteil: man muß erst mal herausbekommen, wo der Vogel bei welcher Heizstufe am besten steht (nicht zu warm / zu kalt). Direkt auf der Heizung ist meistens nicht so günstig.

Der Brutkasten

Wäre wahrscheinlich die optimale Lösung, aber wer hat so etwas schon?

 

Einen Jungvogel kann man in fast alles legen. Hauptsache, der Aufbewahrungsort ist wärmespeichernd! Damit sind solche Dinge wie Pappschachteln, Styroporbehälter, Weiden - oder Strohkörbe, Kistchen, Kästchen, u.s.w. gemeint (Klorollen gehen auch). Nicht gut geeignet sind Porzellan - oder Steingutschüsseln, Blechdosen oder Glasaschenbecher. Solange sich der Vogel wenig bewegt, ist es natürlich sinnvoll, die Größe des Behältnisses an der Vogelgröße auszurichten (also keine Blaumeisen in Melkeimer und keine Rabenkrähen in Eierbecher stopfen). Wobei es immer noch einfacher ist, einen zu großen Behälter zu verkleinern, als umgekehrt. Auch hierfür gibt es wieder diverse Hilfsmittel, in die man den Vogel einpacken kann. Gut geeignet sind Küchenpapier, Klopapier, Kosmetiktücher, Heu und die bewährte Wollsocke.

Achtung !! Wenn man den Vogel buchstäblich in Watte packt, muß man unbedingt darauf achten, daß zwischen Watte und Vogel ein Papiertuch oder Ähnliches liegt! Falls der Vogel Wattefäden verschluckt, kann es zu Darmverschlingung kommen, welche zum baldigen Tod führt!

Dieses Thema ist ausführlich in der Anleitung Das Füttern von Jungvögeln beschrieben.

Wie oft muß der Vogel gefüttert werden? Man kann davon ausgehen: je kleiner der Vogel ist, desto häufiger muß er auch gefüttert werden. Die Zeitspanne reicht von "1/4 Stunde" bis "alle 2 Stunden". Natürlich füttert man einer Meise nicht die gleiche Menge, wie z.B. einer Amsel. Wenn man sich unsicher ist, ob man dem Jungvogel evtl. zu wenig Futter gegeben hat, kann man bei den meisten Vogelarten anhand des Kropfes sehen, ob dies der Fall ist (Ausnahme: Eulen) Vorsicht: Insektenfresser und andere haben einen kleineren Kropf als Körnerfresser, und man sollte ihn nicht überdehnen!

Ist der Kropf nach der Fütterung schnell wieder leer, kann man gleich noch eine "Ladung" nachstopfen. Bleibt der Kropf voll, so ist dies ein Zeichen dafür, daß der Vogel erst mal genug hat und ein Verdauungsschläfchen halten will. Besser öfter kleinere Mengen verfüttern, als selten Riesenportionen zu stopfen!

Bei einem gesunden Vogel könnte man davon ausgehen, daß er sich von selber meldet, wenn er Hunger hat. Dies trifft aber auch nicht immer zu. Manche Vögel sagen erst einen pieps, wenn sie wirklich großen Hunger haben, andere wiederum plärren einem den ganzen Tag die Ohren voll. Die Ersteren wären bald ziemlich abgemagert und am Rande des Hungertodes, die Letzteren würden dick und fett werden, so daß sie freiwillig keinen Flügelschlag mehr tun würden. Traue nie dem Betteln oder Nichtbetteln eines Jungvogels! Dies führt natürlich gleich zur nächsten Frage: ist der Vogel abgemagert oder normal oder zu fett?


 

Den Ernährungszustand des Vogels erkennt man am besten, indem man das Brustbein und die Brustmuskulatur abtastet. Wenn das Brustbein sehr stark hervorsticht, bzw. die Brustmuskulatur kaum fühlbar ist, ist der Vogel entschieden zu mager. Falls allerdings das Brustbein gar nicht mehr zu ertasten ist, da die Brustmuskulatur sehr ausgeprägt ist, so kann man, zumindest bei Singvögeln, davon ausgehen, daß dieser Vogel eindeutig fett ist. Beim optimalen Ernährungszustand ist der Brustbeinkiel, zwischen einer gut ausgebildeten Brustmuskulatur, gerade noch zu ertasten. Im Zweifelsfall pustet man auch noch die Bauchfedern beiseite und hält nach der gelblichen Fettschicht Ausschau (nicht drücken, nur gucken). Die Zeichnungen sollten hierbei alle Unklarheiten beseitigen.

Zeichnung I Zeichnung II

 

So, das war's erst mal. Ich hoffe, daß euch / Ihnen diese kleine Anleitung ein Stückchen weiterhelfen kann. Viel Spaß bei der Vogelaufzucht!

Fundvogel

Aufzucht

Füttertechnik

Entwöhnung

Auswilderung